In sechs Tagen von Gstaad aufs Matterhorn
16. Dezember 2024Zum 100 Jährigen Bestehen der SAC Sektion Oldenhorn überlegte sich der Sektionspräsident André Oehrli einen besonderen Leckerbissen: Den Gipfelsturm aufs Matterhorn. Zu Fuss ab Gstaad. Und alles benötigte Material im Rucksack dabei.
Am Dienstag, dem 8.9.2020 um 9.00 Uhr war es soweit. Alle sechs Saaner Bergsteiger positionierten sich zusammen mit ihren Bergführern zufrieden und überwältigt vom Erlebten auf der Spitze vom 4478 m. ü. M hohen Matterhorn für das obligate Gipfelfoto. Ein Freudenjubel posaunte hinaus in die imposante Bergwelt der höchsten Bergspitzen der Alpen. Der Gipfelsturm auf den berühmtesten und meistfotografierten Berg der Welt und einem der wichtigsten Wahrzeichen und Botschafter der Schweiz war geschafft. Ein Gipfelerlebnis, dass schon lange in den Köpfen aller Tourteilnehmer schlummerte und einige Monate vorher Form annahm. Doch alles der Reihe nach. Anfangs Februar traf sich die Gruppe zur Besprechung der Route. Normalerweise fahren die Matterhornbezwinger mit
dem Zug nach Zermatt und weiter mit der Bahn bis zur Zwischenstation Schwarzsee. Ab dort ist die Hörnlihütte unter zwei Stunden erreichbar. Aber normal kann ja jeder und jede. Unser Plan war ein anderer. Zu Fuss musste es sein, und zwar ab Gstaad Bahnhof. Und: Alles nötige Gepäck und Material für den Gipfelsturm wird ab Tourbeginn mitgetragen! Dieser sogenannt puristische Tourenstil war vor rund 100 Jahren üblich und kam ohne Zusatzhilfen oder sonstigen Annehmlichkeiten aus. Auf die Tourenplanung hatte dies erheblichen Einfluss. Welches Material packen wir ein? Wie schwer darf der Rucksack und wie lange die täglichen Marschzeiten sein, ohne zu erschöpft die Hörnlihütte zu erreichen? Dank der wertvollen Erfahrung der älteren Teilnehmer waren diese Fragen schnell geklärt.
In fünf Tagen bis an den Fuss vom Matterhorn und am sechsten Tag den Gipfelsturm. Das Ziel war gesetzt, die Anreiseroute geklärt. An jenem Abend ging dennoch jeder mit offenen Fragen und grossem Respekt nach Hause. Wie bereite ich mich vor, geistig und körperlich? Bin ich diesem Abenteuer gewachsen? Wie trainiere ich richtig? Habe ich bereits den richtigen Schuh, Rucksack oder Kleider? Was, wenn es unterwegs nur regnet? Was, wenn der schwere Rucksack bereits am ersten Tag Mühe bereitet oder die Füsse bereits früh schmerzen? Der Sommer bot genügend Möglichkeiten zum trainieren, austesten und vorbereiten. Berg- und Trekkingschuhe wurden erprobt, Jacken getestet und leichtes und platzsparendes Kletter- und Kleidermaterial gepackt. Wahnsinn, was sich Materialtechnisch die letzten 100 und insbesondere die letzten 10 Jahre tat. Gewicht und Volumen schrumpften um ein x-faches. Vor drei Jahren brauchte der Zermatter Leistungssporter Andreas Steindl ab der Kirche Zermatt, hinauf aufs Matterhorn und wieder zurück zum Ausgangspunkt keine vier Stunden. Für diese Rekordzeit brauchte er nur einen kleinen Laufrucksack, Laufschuhe und – perfekte Bedingungen am Berg, dafür weder Seil noch Pickel oder Steigeisen. Solche Leistungen bleiben aber die Ausnahme und sind nur top trainierten und ortskundigen Alpinisten vorbehalten. Das Matterhorn bleibt für die meisten Bergsteiger eine grosse Herausforderung und sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden, wie wir später noch merkten.